Krank im Mehrstundenfrei – was Ihr wissen solltet
Viele von uns kennen die Situation. Der Urlaub ist genehmigt, wir freuen uns auf erholsame Tage. Doch dann haben wir kaum den Urlaub angetreten, werden wir krank.
Das BundesUrlaubsGesetz (BurlG) sagt es eindeutig. Wenn wir krank sind, können wir uns nicht erholen. Der Urlaub verfällt nicht während der Krankheit und kann nachgeholt werden.
Wie sieht es aber aus, wenn wir mehrstundenfrei haben?
Auch hier scheint die Sache klar zu sein, weil es gefühlt logisch scheint, dass bei Krankheit auch der Freizeitausgleich nicht verfallen kann.
Die Sache ist auch klar, allerdings anders als viele denken:
Hierzu ein aktuelles Urteil vom LAG Mainz:
Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zwecks Mehrstundenabbaus bezahlt von der Arbeit freigestellt, so kann der Arbeitnehmer nicht die Nachgewährung von verlorenen Mehrstunden verlangen, wenn er während des Freistellungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt. Denn, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz: Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit hat keinen Einfluss auf die Arbeitsbefreiung.
Der / Die Beschäftigte trägt das Risiko, ob er / sie die Freistellung nutzen kann
Ein Industriemechaniker wurde zwecks Abbaus eines Teils seiner 472 Mehrstunden im September 2014 von seiner Arbeitgeberin bezahlt von der Arbeit freigestellt. Während des Mehrstundenabbaus erkrankte der Arbeitnehmer arbeitsunfähig.
Obwohl dem Kläger eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde, kürzte die Arbeitgeberin die Mehrstunden. Da der Kläger die Auffassung vertrat, dass für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit eine Kürzung der Mehrstunden nicht möglich sei, erhob er Klage.
Entgegen der Auffassung des Klägers hielt das Arbeitsgericht Trier die Mehrstundenkürzung trotz Arbeitsunfähigkeit für rechtens. Denn, so die erstinstanzlichen Arbeitsrichter*innen: Eine entsprechende Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG), wonach während des Urlaubs erkrankte Arbeitnehmer*innen, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet bekommen, scheidet aus.
Im Übrigen trage der Arbeitnehmer bei wirksamer Freistellung das Risiko, die durch Mehrstundenleistung gewonnene Freistellung, nicht nach seinen Vorstellungen nutzen zu können. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
Das Landesarbeitsgericht bestätigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers bestätigte es die Entscheidung der Vorinstanz und begründete dies damit, dass dem Kläger kein Anspruch darauf zugestanden habe, eine Gutschrift auf sein Arbeitszeitkonto entsprechend seiner Krankheitstage zu erhalten.
Die Arbeitgeberin sei berechtigt gewesen, den Kläger zwecks Mehrstundenabbaus freizustellen. Darauf habe die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit keinen Einfluss gehabt. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die durch Krankheit verlorenen Mehrstunden nach zu gewähren, bestehe nicht.
Unter Hinweis auf die Gewerbeordnung, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind, stehe einem Arbeitgeber das Recht zu, auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, einen Freizeitausgleich anzuordnen.
Die für den Erholungsurlaub geltende Regelung aus dem Bundesurlaubsgesetzes (BurlG), wonach die Tage der Arbeitsunfähigkeit während der Urlaubszeit nicht auf den Urlaub angerechnet werden, schloss das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf die Bundesarbeitsgericht Rechtsprechung aus.
Begründet wurde dies damit, dass diese Ausnahmeregelung nur für den Erholungsurlaub gelte und ein Freizeitausgleich in Form von Mehrstunden nicht einem zusätzlichen Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers, sondern der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, diene.
(Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 19.11.2015, Az: 5 Sa 342/15-)
Anmerkung:
Auf den ersten Blick mutet die Entscheidung des LAG Mainz doch irritierend an. Schließt man jedoch, so wie das LAG, die entsprechenden Vorschriften des BUrlG aus, so kommt man letztendlich doch zu dem Ergebnis, dass die durch Krankheit „verlorenen Mehrstunden“ nicht nach zu gewähren sind.
Nach der Rechtsprechung des BAG verstößt der Abbau des Zeitguthabens trotz Arbeitsunfähigkeit nicht gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz. Sinn und Zweck des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch behält. Ohne diese Regelung würde der Grundsatz gelten „Ohne Arbeit kein Lohn“. Beim Abbau von Mehrstunden gilt dies aber nicht, weil die Arbeitsleistung ja im Voraus erbracht wurde.
Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt daher voraus, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer auch aus einem anderen Grund nicht gearbeitet hätte, wie dies das BAG in seinem Urteil vom 11.09.2003 ( Az: 6 AZR 374/02) entschieden hat.
So liegen die Dinge auch hier. Der Kläger war bereits vor Eintritt seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zum Ausgleich seines Arbeitszeitkontos unter Fortzahlung seiner Vergütung wirksam von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt worden (er hat also gar nicht arbeiten müssen; die Arbeitsleistung ist gar nicht ausgefallen). Ihm hat demnach keine Entgeltfortzahlung zugestanden, sondern die vertraglich geschuldete Arbeitsvergütung, die ihm die Beklagte im Freistellungszeitraum gezahlt hat.
(Artikel des DGB; auf dessen Homepage nachzulesen [Stand Januar 2020])
Übrigens:
Wer im Urlaub krank wird, bekommt die Urlaubstage nur dann zurück, wenn eine ärztliche Bescheinigung vorliegt (Krankmeldung). Diese sollte möglichst am ersten Tag der Erkrankung besorgt werden. In begründeten Ausnahmefällen kann ein Arzt aber auch bis zu 3 Tage rückwirkend krankschreiben.